Reinhold Tappeiner
und die Farben
Harald Küppers
"Die Außenwelt, also das, was sich außerhalb unseres Körpers befindet, ist farblos. Farbe existiert nur in der Innenwelt jeden Menschen. Denn Farbe ist immer und ausschließlich die Sinnesempfindung eines Betrachters. In der physikalischen Welt gibt es keine Farbe. Die physikalische Welt besteht aus farbloser Materie und farbloser Energie. Farbe ist ein Gefühl, welches entsteht, wenn ein von außen kommender physikalischer Reiz vom Sehorgan registriert und umgewandelt wird.
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Bilder. - Da gibt es Leute, die Bilder kaufen, um sich an ihnen zu erfreuen, wenn sie in den Wohnräumen hängen. Museen erwerben Bilder für ihren Bestand. Galerien präsentieren Bilder. Und da gibt es Menschen, die Bilder machen, die Bilder malen, Collagen herstellen, Kunstobjekte anfertigen. Die Künstler also. Ein solcher Künstler ist Reinhold Tappeiner. Besessen engagiert er sich für die Farbe. Er setzt sich mit der Farbe auseinander. Er legt sich mit der Farbe an. Jetzt hat er zu seinem individuellen Format gefunden, einem schmalen, langen Hochformat, einer Stele ähnlich. Zusätzlich ging es ihm darum, seine Fläche zu gliedern, nur mit den unbunten Strukturen von Schwarz und Weiß („konstrukt“, „gewand“). Dann experimentiert er mit bunter Farbe, Rot auf Weiß („transkription I“). Behutsam nimmt er zu den unbunten Farben Schwarz und Weiß die bunte Farbe Rot hinzu, die gewissermaßen durch die schwarzen Flächenelemente hindurch scheint („grenzfall III“). Jetzt lässt er eine zweite bunte Farbe ins Spiel kommen. Die schwarzen Strukturen auf weißem Grund werden durch die bunten Farben Gelb und Grün belebt („reflexion I“), ein vorsichtiger Nachbarschaftseffekt der Farbharmonie. Sensibel wagt er sich an den größtmöglichen Kontrast, den zwischen Violettblau und Gelb. Aber er lässt die Farben nicht aufeinander knallen. Nur verhüllt lässt er sie wirken, nur mit geringem Buntgrad („kallos III“). Schließlich wagt er sich mutig an den Dreiklang Violettblau, Grün und Orangerot. Aber auch hier lässt er die Farben nicht schreien. Er zähmt sie durch geringen Buntgrad und zwingt sie dadurch in stille harmonische Gemeinsamkeit („kallos IV“).
Reinhold Tappeiner hat sich auf die Auseinandersetzung mit der Farbe eingelassen. Wir dürfen gespannt sein auf seine weitere Entwicklung."
Harald Küppers
geboren im Jahre 1928 im Dorf Müden.
Neben seinen Lehraufträgen an Universitäten und Hochschulen hat er zahlreiche Bücher (z.B. „DuMont’s Farbenatlas“, „Harmonielehre der Farben“ oder „Das Grundgesetz der Farbenlehre“) und mehr als 250 Fachartikel geschrieben.
Text - Auszug veröffentlicht in:
Reinhold Tappeiner, Malerei; Werke von 1999-2005; hrg. von Wolfgang Maxlmoser, mit Texten von Harald Küppers, Klaus-Ove Kahrmann und Anton Summerer; edition Innsalz Verlag GmbH, Aspach/Wien/Meran 2005